In solchen Situation stelle ich mir manchmal vor - obwohl, das stimmt eigentlich nicht, es ist kein klarer Gedanke, nichts aktives, eher so ein Bild, ein aufflackernder Super 8 Film, direkt von innen gegen meine Stirn geworfen:

   Ich, liegend, mit einem Messer in der Hand - so ein großes Ding, Küchenmesser mit ein bisschen Schlachthaus wie bei Michael Myers - und das drücke ich mir dann mit beiden Händen sehr bedacht, aber mit viel Kraft, in meine Brust - genau dort, wo das Brustbein sein sollte. Von da ziehe ich es dann nach unten, zwischen den Rippen entlang, dass sich schmatzend ein Schlitz öffnet, zwei breite, feucht rötlich schimmernde Lippen wie auf Kruzifixen und heraus sickert Blut. Sickert, das muss ich erklären, denn es spritzt nicht einfach so los, wie man es aus Horrorfilmen kennt. Es kommt sehr verzögert, fasst muss ich drauf warten, dann bildet sich ein kleiner Tropfen, der allen Gesetzen der Oberflächenspannung trotzend schnell zu einer roten Kugel anwächst, bevor er schließlich in einem Sturzbach zerfließt, meine Seite hinab wie eine Schärpe aus Samt. Erst dann beginnt das Sprudeln in dicken, glänzenden Blasen wie an einer Quelle und so kommt es auch einfach aus meinem Inneren hervor, dass man sich bald fragt, wo das alles denn vorher Platz gehabt haben soll.
   
   Das klingt jetzt schlimm, da muss mich niemand so anschauen, das weiß ich schon selber. Wie gesagt, ich kann nichts dafür, aber eigentlich habe ich auch nichts dagegen. Der ganze Scheiß fixiert sich auf eine klaffende Stelle und sprudelt heiß und schnell heraus, bis nichts mehr übrig bleibt. Ich fühle mich kurz ganz leer, dann kommt alles zurück, dieses Mal aber blasser, irgendwie anämisch und schwach wie ein Kind in einem viktorianischen Roman.

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